www.gregorius-hesse.at

Sonntag Quinquagesima (2. März 2003) Lk. 18:31-43.

Wer Gott liebt, muss über Ihn nachdenken! Auch das heutige Evangelium zeigt dies in aller Deutlichkeit: Christus kündigt Sein Leiden und Seine Auferstehung an, „Doch sie verstanden nichts davon,“ weil sie nicht nachgedacht hatten! Ist das nicht ein harter Vorwurf? Nein, denn gerade im Evangelium des heiligen Lukas, der besonders für die Strenge seiner zeitlichen Einordnung der Geschehnisse bekannt ist, findet sich schon neun Kapitel vor dem heutigen Evangelium der nötige Hinweis: „'Der Menschensohn,' sprach er, 'muss vieles leiden, er muss von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten verworfen und getötet werden und am dritten Tage auferstehen'“ (Lk. 9:22). Er sagt dies zu ihnen alleine, denn im nächsten Satz heisst es: „Zu allen aber sagte er....“ Dies geschah vor Seiner Verklärung, was Matthäus (16:21) und Markus (8:31) bestätigen. Der gesunde Menschen­verstand sagt einem, dass unser Herr Jesus, selbst nicht nur voll und ganz Mensch, sondern auch der offenbarende Lehrer, in den neun Kapiteln des Lukas, zwischen der oben zitierten Offenbarung und der des heutigen Evangeliums nicht nur ein paar Kranke geheilt hat: „Noch gibt es vieles andere, was Jesus getan hat. Wollte man das alles einzeln niederschreiben, so vermöchte die ganze Welt die Bücher nicht zu fassen, die dann zu schreiben wären“ (Joh. 21:25). Dieser letzte Satz der vier Evangelien scheint manchmal in den Gedanken der heutigen Schriftgelehrten, selbst der orthodoxen, DAS Letzte zu sein, was allzu offenbar wird, wenn man die progressive Fraktion der Modernisten in ihrer Bemühung ertappt, Christus durch irgendwelche zeitgeistliche Faktoiden widerlegen zu wollen oder die Konservativen in ihrem Bemühen, den Sohn Gottes auf Seine – in diesem Lichte relativ wenigen – Zeilen zu beschränken.

MITNICHTEN! Erst beim Jüngsten Gericht werden wir erfahren, was und wieviel Christus zwischen „Lukas Neun und Lukas Achtzehn“ den Aposteln erklärt hat. Was wir wissen, ist, dass es viel war. Sogar Priester sprechen oft stundenlang über Nichtiges, Christus tat dies nicht. Genau deswegen sind die Apostel hier nur die Repräsentanten der Menschheit, die durch die Erbsünde „von den paradiesischen Freuden ausgeschlossen, in Unkenntnis der Klarheit des überirdischen Lichtes, die Finsternisse ihrer Verdammnis erleidet,“ wie Gregor sagt (Homilia 2 in Evangelia): „Die Rede war für sie verborgen.“

Wie im Evangelium vom vierten Sonntag nach Erscheinung glaubten die Apostel zwar an Ihn, sie folgtem Ihm, aber sie wussten nicht, wovon Er sprach. Sicherlich hatten sie über Vieles nachgedacht, aber worüber? Gregor der Grosse sieht eine tiefe Symbolik alleine schon in dieser Richtung nach Jericho, auf Deutsch „Mondstadt“: So wie der Mond in seinem Zyklus ein Auf und Ab wie Tod und Leben vorführt, so nimmt Jesus nach der Ankündigung Seines eigenen Todes ausgerechnet dorthin Seinen Weg. Mit Seiner Menschwerdung hat Er ja – mit Ausnahme der Sünde – die Defekte unserer Menschheit übernommen: „Unde enim Deus humana patitur, inde homo ad divina sublevatur“ (Homilia 2 in Evangelia): „Woher nämlich Gott die menschlichen Dinge erleidet, von dort wird der Mensch zu den göttlichen erhoben.“ Die Apostel aber bedenken diese Konsequenz nicht. Viel, viel später zeigt uns die Heilige Schrift immer noch ihre Unwissenheit: „Wir aber hofften, dass er es sei, der Israel erlösen werde,“ (Lk. 24:21), so sagen Kleophas und sein Begleiter zum Auferstandenen.

Dies ist auch die Erklärung für das Unverständnis der Apostel im heutigen Evangelium: Wunschdenken! Der Wunsch ist der Vater des Gedankens! Der Befreier Israels, der König, zu welchem Minister macht er mich wohl? „Quid ergo erit nobis?“ „Was wird uns nun dafür zuteil werden?“ (Mt. 19:27).

Kein Urteil über die Apostel wollen wir uns hier anmassen – alle (ausser Judas) starben für unseren Herrn – besonders nicht, wenn wir bedenken, dass sie zwar Jesus bei sich hatten, aber erst zu Pfingsten den Heiligen Geist erhielten. Uns wurde dies unverdient in der Firmung zuteil und wir haben Jesus im Tabernakel!

Wer von uns kann schon sagen, dass er nicht trotzdem immer wieder unter diesem Wunschdenken leidet? Christus, der Unschuldigste von allen, sieht Jerusalem und das entsetzliche Leiden vor sich, aber anstatt Sich zu beschweren, erklärt Er, dass es so sein muss. Wir sind stets schuldig und so eifrig unser Gnadenleben auch sein mag, wir sind weder sündenlos, noch heilig. Dennoch kommt uns die Beschwerde sehr rasch über die Lippen: „Was, oh Gott, habe ich Dir angetan, dass mir das passieren musste?“ Der Ausspruch eines Blinden! Im Katechismus­unterricht oder im Gespräch bejahen wir die Realität des Fegefeuers, das viel schlimmer ist als alle irdischen Leiden, aber wenn der Herr uns die Gelegenheit gibt, auf Erden für unsere Sünden Busse zu tun, dann sehen wir den Grund nicht. Der grosse Papst Innozenz III. warnte die Bischöfe und seine Nachfolger: „Je weniger ein Mensch von Menschen gerichtet wird, umsomehr wird er von Gott gerichtet werden.“ Das gilt auch für unsere Leiden, abhängig davon, wie ehrlich und gerne wir sie annehmen. Natürlich gibt es auch die „Christen“, die sich für sündenlos halten, sie sind weder Christen, noch sündenlos.

Wir sollten noch etwas aus dem heutigen Evangelium lernen: Der Sinn der Rede Christi bleibt den Aposteln verborgen und ausgerechnet danach, auf dem Weg nach Jericho, sitzt ein Blinder am Weg und bettelt. Christus, umgeben von „blinden“ Aposteln, heilt den Hilferufenden. Kann Er uns zu Sehenden machen? Er kann, aber will Er?

„Gratia praesupponit naturam,“ sagt der hl. Thomas Aquinas, „Die Gnade setzt die Natur voraus,“ nicht umgekehrt. Wenn es jemandem an der nötigen Intelligenz für das Priesteramt mangelt, sollte man ihn auch nicht in der Hoffnung, die Standesgnaden könnten seine Mängel ersetzen, weihen (den Pfarrer von Ars hier als Beispiel zu missbrauchen, wie das immer wieder geschieht, ist eine Vermessenheit, weil man eine Spezialgnade – gratia gratis data – voraussetzt). Genausowenig dürfen wir annehmen, dass uns ohne Lesen und Nachdenken die Erleuchtung kommen wird, womöglich noch anlässlich einer der unzähligen angeblichen Erscheinungen. Der Herr will uns zu Sehenden machen, aber nicht gegen Vermessenheit oder Trägheit!

Auch zu diesem Thema erteilt uns das heutige Evangelium eine Lehre: Die Menge will den Blinden daran hindern zu Jesus zu gelangen. Warum? Weil der Blinde mit seinen Hilferufen das Spektakel stört, darum! Auch und gerade Kindern wollen sogar die Jünger den Zutritt versagen (vgl. Mt. 19:13)! Warum? Weil die Kleinen Seine hoch­interessanten Ausführungen unterbrechen! Hier werden weder Christus noch Seine Barmherzigkeit verstanden, weil die Neugierde und die Erlebnissucht jegliche Nächstenliebe töten. So mancher traditionstreue Priester kennt die Situation, in der er, zum Versehgang gerufen, noch behindert wird: „Aber Herr Pater, die Gottesmutter hat mir gestern persönlich....“ oder man ihn den Kindern entziehen will, mit diesem grässlichen: „Hochwürden, ich muss Ihnen noch was sagen...,“ gefolgt von abstrusen Theorien, Häresien und Tratsch. Alles das ist nicht Christentum, das ist bestenfalls ein Steckenpferd, ein Hobby. Die Menschen, die den Blinden zum Schweigen bringen wollen, aber dem hochinteressanten Jesus von Nazareth nachlaufen, sie leben noch wie eh und je. Die Wunder Christi reichen ihnen nicht, nicht die der Heiligen und kein Lanciano, wo die Hostie Fleisch und der Wein Blut wurde, sichtbar und immer noch frisch, Fatima reicht ihnen nicht und Lourdes, nein sie jagen unzähligen Sehern, Erscheinungen, Wundern, Rasenkreuzen, Botschaften und ähnlichem nach, wobei meist die Nächstenliebe auf der Strecke bleibt. HERR MACH UNS SEHEND!

▲ Zum Seitenanfang

actio spes unica

Schulstraße 7

65795 Hattersheim

www.spes-unica.de

in Zusammenarbeit mit dem

Philomena-Zentrum Deutschland

 

 

und der Studentenvereinigung

St. Thomas von Aquin, Bonn

 

www.aquinas.de

Impressum