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Zweiter Sonntag nach Ostern (4. Mai 2003) Jo. 10:11-16.

„Der gute Hirt gibt sein Leben für seine Schafe.“ Das ist der wichtigste Satz des heutigen Evangeliums und leider ist seine Bedeutung vielfach in Vergessenheit geraten, sogar – und manchmal besonders – im Klerus!

Wer ist ein guter Hirt? Was ist ein Hirt? Jeder Papst, jeder Bischof und jeder Priester übt in verschiedenem Masse sein Hirtenamt in dreifacher Weise aus: Leitung, Lehre und Rechtssprechung. Diese Dreizahl ist der ganzen Schöpfung inne und entspricht wesentlich der Heiligen Dreifaltigkeit, Vater, Sohn und Heiligem Geist, man kann auch sagen: Hoffnung, Glaube und Liebe.

Das dem Schöpferwillen des Vaters am meisten entsprechende Amt ist das des Richters, das auch unter dem Begriff des Rächers im Alten Testament hervorgehoben – wenn nicht schon übertrieben – wird. Richter ist schon jeder einfache Priester im Beichtstuhl oder im Diözesangericht, um so mehr der Bischof, der Kardinal und der Papst. Die Bedeutung des Richteramtes besteht vor allem in der Beurteilung der Sünden, so im Beichtstuhl, wo ja auch entschieden wird, wer zur Herde gehört. Die von einem Richter verhängte Strafe hatte in der katholischen Kirche niemals den Sinn der Rache, sondern der Medizin: So hofft die Kirche – früher einmal zu recht, in jüngerer Zeit meist vergeblich – dass die Strafe, z.B. die Exkommunikation, den Täter, jeglichen Gnadenmittels beraubt, der Wüste des teuflischen Einflusses aussetzt und dies in der HOFFNUNG, dass er sich besinnt und reumütig zurückkehrt. Der Hirte weiss, dass der einzige Grund für die Bisse seines Schäferhundes die Sicherheit des Schafes in der Herde ist und dann erst die Bestrafung desselben.

Dem Logos, dem Verkünder im Neuen Testament, Christus, am meisten entsprechend ist das Lehramt. Sein Stellvertreter auf Erden übt daher das universale Lehramt aus (wenn er sich an die Tradition hält, denn sonst ist das ja sinnlos), die Bischöfe haben ihr ordentliches Lehramt in ihrer jeweiligen Diözese (sonst nirgends) und der einfache Priester nimmt daran teil: Er hat den Lehrauftrag und übt ihn richtig aus, wenn er nach seinem besten Wissen und Gewissen die Lehre der Kirche und dieser entsprechende theologische Erkenntnisse verkündet. Dieses Lehramt ist ungeheuer wichtig, denn es ist die natürliche Basis für den Glauben: Vergessen wir nicht, dass die Natur die Voraussetzung für die Gnade ist und nicht umgekehrt. Der Glaube ist ein Geschenk Gottes, aber der Glaube woran? In besseren Zeiten hat man deswegen die Kapitel im Katechismus auswendig lernen müssen – einschliesslich der wichtigsten lateinischen Gebete (o tempora o mores!) – denn ohne dieses natürliche Wissen hat der Glaube eine Grundlage aus Sand und ist allzuleicht Opfer von Neuerungen und den üblichen Einflüsterungen des Satans, der auch schon in Bayside durch eine Pseudomadonna mitteilen hat lassen, dass die UFOs Vehikel der Dämonen sind(!!!). Genau dieses Lehramt üben zuviele Priester schon seit langer Zeit nicht mehr als solches aus. Den Gläubigen einfach etwas vorzulesen, ist keine Ausübung des Lehramtes, was alleine schon die grossartige, inspirierte und – weil tief – schwer verständliche Enzyklika von Pius X. gegen den Modernismus beweist. Dieses Dokument muss man studieren, nicht vorgelesen bekommen. Das gleiche gilt für Auctorem Fidei, das von Pius VI. nicht nur für die Bischöfe, sondern alle Christgläubigen geschrieben wurde. Das schlechteste Beispiel gibt wohl jener Priester, der die Lehre selbst nicht verstanden hat und, wie es meine Mutter erlebt hat, auf deren Bitte, ihr den Heiligen Geist zu erklären, geantwortet hat mit einem herablassenden Lächeln: „Kinderl, mir wern doch net grübeln, wir glauben das.“ Ich habe kein Verständnis für Gläubige, die zu faul sind, den Katechismus selbst zu lesen und dann dem Priester seine kostbare Zeit mit den leichtesten Fragen rauben, ich habe aber auch kein Verständnis für Priester, die einen interessierten Gläubigen mit schwierigeren Fragen – wie meine Mutter – mit inkompetenten Ausreden loswerden wollen, statt einfach demütig zu antworten: „Gnädige Frau, Ihre Frage überfordert mich, aber ich werde Ihnen bald dazu Rede stehen,“ was durch die diplomatischere Variante ersetzt werden kann: „Bitte, rufen Sie mich morgen an, im Moment kann ich nicht.“ Viele Priester haben selbst dafür nicht Zeit, aber sie werden, wenn sie ihr Lehramt ernst nehmen, wenigstens in Bälde eine entsprechende Lektüre empfehlen können. Das ist wichtig, denn ohne das natürliche Wissen, ist das Gottesgeschenk, das der GLAUBE genannt wird, sehr bald ein Ziel der Versuchungen des Zweifels, des Unglaubens, sowie des Aberglaubens, der Glaubensverirrung und der Leichtgläubigkeit. Der Hirte wird nicht zulassen, dass sein Schaf den Abgrund für Weideland hält!

Die wichtigste Aufgabe des Hirten aber ist das Amt der Leitung, das eigentliche – beim Bischof durch den Hirtenstab gekennzeichnete – Werk der Liebe und der Vaterschaft. „Der gute Hirt gibt sein Leben für seine Schafe.“ Das hat mit Zurechtweisen und Bestrafen, sowie mit Lehren und Korrigieren nicht so viel zu tun wie mit der Verteidigung gegen den bösen Wolf und zwar unter Einsatz des eigenen Lebens. Das ist der eigentliche Beweis der Liebe! Könnte ein Schaf reden, dann würde es den guten Hirten sicher nicht mit einem „Er bestraft mich, wenn es nötig ist,“ noch mit einem „Er bringt mir bei, was ich zu tun und anzunehmen habe“ beschreiben, sondern mit der tiefstinneren Feststellung: „Er behütet und liebt mich und er kümmert sich um mich.“ Warum waren die Heiligen – trotz ihrer vielen Fehler – die besten Hirten? Weil Heiligkeit im Masse der Liebe definiert wird. Ein wunderbares Beispiel gibt hier wieder der hl. Pius X., der einen Missetäter unter den Seminaristen mit einem herzergreifenden Gesicht des Schmerzes zurechtwies und nicht mit abgelesenen Statuten. Er liebte jeden Menschen, der ihm begegnete, als Kaplan, Pfarrer, Domherr, Regens, Bischof, Patriarch, Kardinal und Papst, er liebte sie wirklich und – obwohl er keine Zeit hatte – hatte er Zeit für sie. Er starb als das erste Opfer des Ersten Weltkrieges, weil er wusste, was kam und sein Herz diese Qual – bei allem Opferwillen – physisch nicht mehr aushalten konnte. Er war nicht der Heilige, der der Menschheit entsagte und in die Einsiedelei ging, er war nicht der Heilige, der sein Leben lang schrieb (und Gott sei innigst gedankt für Thomas Aquinas!!!), er war nicht der Heilige, der sich geisselte und einen Gehorsam forderte bis in den Unverstand, Schwarz als Weiss zu erklären. Er war kein ständiger Wallfahrer, fanatischer Prediger, Vigilienschmachtender, mit Geissel, Bussgürtel und Hunger lebender Asket, der in beissender Kälte nur zwei Stunden schlief. Er wurde nur vierzig Jahre nach seinem Tode heilig gesprochen (was 1954 noch etwas bedeutete), schlicht und einfach, weil der brilliante Sonnenschein seiner Liebe alle anderen Übungen über- und wegstrahlte und somit den Kern und das innere Feuer des wahren guten Hirten – fast schon im Sinne des Märtyrers – beZEUGTE.

Ihm entsprach – in einem ähnlichen Ausmasse – noch ein zweiter in diesem Jahrhundert. Als der Modernismus in den pseudokirchlichen Dokumenten des scheinbar ökumenischen Konzils von 1962-1965 niedergeschrieben wurde und verzweifelte Seminaristen der ältesten – wenngleich manchmal senilen – Tochter der Kirche ihn um Hilfe baten, da gab er auch jeden Gedanken an Pension auf, er der ermüdete und erfolgreichste Missionar der Geschichte Afrikas, der päpstliche Thronassistent und ehem. Erzbischof von Dakar, ehem. Generaloberer der Väter vom Heiligen Geist und Erzbischof von Tulle, der angebliche Rebell, Erzbischof Marcel Lefebvre – einer der letzten wirklich guten Hirten der Kirche, der uns kannte. Hoffentlich kennen wir ihn!

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