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Weisser Sonntag (3. April 2005) Jo. 20:19-31.

Pax vobis,“ sagt Jesus zu den Aposteln, wie der Bischof am Anfang der Messe: „Friede euch.“ Wohl war dies der normale Gruss damals, aber will dieses Wort, das sonst nur bei Lukas (24:36) vorkommt, in das richtige Licht setzen.

Die Apostel sind wieder im Abendmahlssaal, so muss man jedenfalls schliessen, nachdem sie sich zu späterem Zeitpunkt immer wieder dort treffen (Apg. 1:13). Untertags waren sie über ganz Jerusalem verstreut (Jo. 16:32). Die Jünger sind aus Emmaus wieder zurückgekommen (Lk. 24:33ff.), so fehlt nur Thomas. Am Abend fanden sie sich zusammen, und sie haben die Türen aus Furcht vor den Juden verschlossen. Der Plural weist auf eine verschlossene Haustüre hin. Die Apostel hatten allen Grund dazu, nachdem Christus ihnen die Verfolgung prophezeit hatte (Jo. 16:2) und die Hohenpriester ja auch schon mit dem Gedanken gespielt hatten, den Lazarus zu töten (Jo. 12:10).

Die Stimmung unter den Aposteln und Jüngern muss gedrückt gewesen sein. Zu dem Schamgefühl über ihre Verhaltensweise Jesu gegenüber gesellte sich die Angst vor den Juden, und ihr einziger Lichtblick war die Hoffnung, dass das, was die Frauen am Morgen und dann Petrus erlebt hatten, wahr wäre. Es schien kein schöner Abend zu werden, an diesem ersten aller Ostersonntage.

Plötzlich tritt Jesus in ihre Mitte. Die Apostel müssen ziemlich erschrocken sein, da doch alle Türen zugesperrt waren. Sein sofortiges „Fürchtet euch nicht...“ unterlässt Johannes, der sich auf das Pax Vobis beschränkt. Hier bedeutet dieser Gruss eben mehr als sonst. Was hatte der Herr beim Abendmahl den Aposteln gesagt? „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch, nicht wie die Welt gibt, gebe ich euch“ (Jo. 14:27). In diese gequälten Seelen soll der wahre Friede Christi Einzug halten, nicht der irdische Friede, der nie von Dauer ist und schon gar nicht der politische Friede, der nur ein kümmerlicher Waffenstillstand ist.

Noch sind die Apostel nicht überzeugt. Jesus zeigt ihnen sofort die Wundmale und dann lässt Er sich zu essen bringen (Lk. 24:41ff.). Endlich glauben sie und „nun freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen“.

Wiederum gibt Jesus ihnen den Frieden und fügt hinzu: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende auch ich euch.“ Das ist nicht einfach eine Bestätigung des schon vorher ausgesprochenen Auftrages, obwohl die angesichts der Zweifel, die sich in die Apostel über ihre Berufung eingeschlichen haben müssen, sehr zeitgerecht kam, sondern eine Erweiterung, damit der Osterfriede unter die düstere Menschheit getragen werden kann. Er vermittelt ihnen den Hauch des Heiligen Geistes und damit die Macht, in Seinem Namen die Sünden zu vergeben. Es handelt sich hier schlicht und einfach um die Einsetzung der Beichte. Zu diesem Thema wurden bereits tausende Seiten hochtrabenden Unsinns geschrieben, vor allem im 20. Jahrhundert, in denen man immer wieder versuchte, die Bedeutung dieser Worte abzuschwächen, zu verdrehen und wegzuerklären. Wieviel Zeit wurde hier verschwendet, statt dass man sie genutzt hätte, dieses Friedenssakrament zu predigen und zu spenden.

Auch ganze Bücher können es nicht ändern, dass Christus hier die Apostel mit dem Richteramt versieht, Sünden nicht nur vergeben, sondern auch behalten zu können. Dem kirchlich getrauten Geschiedenen, der wieder heiratet, die Sakramente zu spenden, ist ja nicht nur verboten, sondern Betrug, denn so wird ja auf den Empfänger noch mehr unermessliche Schuld geladen. Nicht alle Fälle sind so einfach, und so muss jeder Priester imstande sein, dieser Richtertätigkeit nachzukommen (oh, möchte Gott es nur geben...).

Wir sollten auch immer im Gedächtnis behalten, dass Christus das Beichtsakrament am Ostersonntag schon eingesetzt hat, um den Osterfrieden zu vermitteln. Möge sich doch der Klerus dies einprägen, denn jede Handhabung der Beichte, wenn absolviert werden kann, die statt Friede Bedrückung verursacht, widerspricht dem Sinn und der Absicht Christi. Der Beichtstuhl ist der Ort, zum Kampfe aufzumuntern und Hoffnung zu spenden, nicht zur Apathie und Verzweiflung einzuladen. Deprimierende priesterliche Racheengel und Kleingeister, die, womöglich mit der Tabelle in der Hand, Absolutionen verweigern, waren schon oft der Auslöser für die Apostasie so vieler Katholiken. Jede echte Beichte ist eine Konversion. Den Konvertiten heisst man willkommen, man verjagt ihn nicht. Deswegen hat der Herr die Beichte am Abend nach der Auferstehung eingesetzt, am Tag des Herrn und der Osterfreude.

Nun fährt das Evangelium fort mit dem ungläubigen Thomas. Dieser Apostel muss offenbar die grüblerische und zweifelnde Natur des Pessimisten gehabt haben (Jo. 14:5), die Natur, nicht die Untugenden. Selbst seine Liebesbekundung ist entsprechend: „Gehen auch wir mit ihm zu sterben“ (Jo. 11:16). Auch hier hat die Vorsehung Gottes diesen Zweifler erwählt, um das Argument zu entkräften, die Apostel wären leichtgläubig gewesen.

Nach acht Tagen also sind sie wieder „drinnen“. Wir werden die Frage, ob das wieder der Abendmahlssaal war (was so zu sein scheint, da Johannes offenbar voraussetzt, seine Leser wissen es), kaum beantworten können, und es ist auch nicht wichtig. Wichtig ist, dass Jesus wieder bei verschlossenen Türen eintritt und dem Thomas den Sinn der Tugend des Glaubens erklärt.

Wir wollen uns auch hier nicht mit dem Unsinn, der über Christi „Scheinleib“ oder gegen die Auferstehung geschrieben wurde, aufhalten, sondern nur feststellen, dass die perfektionierte Materie des achten Schöpfungstages eben nicht mehr den Gesetzen unserer Natur unterworfen ist.

Erstaunlich ist, dass fast alle Kirchenväter die nun folgende Aufforderung an Thomas, Seine Wundmale zu berühren, als Befehl nehmen, den Thomas dann ausgeführt haben sollte. Die Worte Christi Selbst aber widersprechen dem. Nachdem Thomas blitzartig angesichts der Evidenz seine Skepsis abgelegt hat und nur noch imstande ist zu sagen: „Mein Herr und mein Gott,“ sagt der Herr zu ihm: „Weil du mich gesehen hast, hast du geglaubt.“ Sollte ausgerechnet der präzise Johannes das Berühren vom Sehen nicht unterscheiden können? Bei allem Respekt dem heiligen Augustinus gegenüber, „vertritt“ eben „der Gesichtssinn“ nicht „sozusagen alle Sinne.“ Ist jede Aufforderung Jesu automatisch ein Befehl? Judas stand doch auch nicht unter dem Befehl, seinen Verrat zu begehen, und doch hatte Jesus gesagt: „Was du tun willst, tue bald“ (Jo. 13:27). Ausserdem ist doch Thomas so vor Ehrfurcht ergriffen, dass er nur noch die anbetenden Worte sprechen kann und da soll er wie ein forschender Arzt berühren? Johannes hätte das mit Sicherheit auf eindeutige Weise beschrieben.

Wenn Thomas also sieht, warum spricht dann Jesus nach wie vor vom Glauben? Thomas sieht den verklärten Leib Desjenigen, Der am Kreuz gestorben war, Seine Gottheit ist nach wie vor Glaubenssache. „Weil du mich gesehen hast, hast du geglaubt.“ Johannes verwendet das Perfektum. Das griechische Perfektum bezeichnet den Zustand, der sich aus einer vergangenen Handlung ergibt. Folglich müsste der Satz heissen: „Weil du mich gesehen hast, bist du ein Gläubiger.“ „Selig die nicht sehen...“ Damit meint Jesus all die, die Ihn nicht sahen und dem Zeugnis der Apostel glauben. Nicht die kritiklose Leichtgläubigkeit meint Christus hier, sondern den Glaubensgehorsam, der sich Gottes Auswahl der Wunderbeweise unterordnet und nicht willkürlich weitere Beweise fordert. Das ist auch der Sinn der letzten beiden Sätze dieses Evangeliums.

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